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“Ein verwinkeltes Erdgeschoß in einem großen alten Gebäude am Mojka-Kai im Zentrum der Stadt, vollgestellt mit Handpressen, Tischen und Arbeitspulten, mit Hunderten von Lithosteinen, viel Papier und wenig Bewegungsraum – das war die “Werkstatt für experimentelle Grafik” in Leningrad. Die Künstler hatten sie sich in den dreißiger Jahren eingerichtet. Zu den Nutzern gehörte Anatoli Kaplan. Fast täglich war er in der Werkstatt anzutreffen, an seinem ständigen Platz, unauffällig, doch auf dem Stein heftig tätig. Auch der “Hochzeitstanz” aus der Serie “Stempenju” ist in diesen Räumen entstanden.
Aufsehen erregte Kaplan durch seine Blätter, durch deren Themen, die Ausführung, ihre Anzahl, ihre Verbreitung. Kein anderer Grafiker in der Sowjetunion hat damals die Gemüter nachhaltiger bewegt. Schon als die erste umfangreiche Folge zu einer jiddischen Erzählung fertiggestellt war und am 18.April 1957 in einer Versammlung der Künstler zur Diskussion gestellt wurde -in einer Zeit wiedererwachender Ansprüche auch in den Künsten -, fielen entschiedene Worte. Das erhalten gebliebene Protokoll der Zusammenkunft zitiert unter anderen Rednern auch den Grafiker Igor Jerschow: “Als ich zum ersten Mal in die lithografische Werkstatt kam, war Anatoli Lwowitsch Kaplan der erste Mensch, den ich dort sah. Wie Viele Fehler haben wir alle gemacht, wie viele Rezepte mußten wir loswerden, ehe jeder von uns seinen Weg gefunden hat. Anatoli Lwowitsch aber, er hatte Glück. Er stand wie ein Fels. Sosehr man ihn demütigte, ihn zwingen wollte – wie heute hier auch wieder Taranow. Er beugte sich nicht. Und das konnte er nur durchhalten dank der Unversehrtheit seines Wesens. Als ich diese Bilder auf dem schwarzen Stein sah, da war ich sehr überrascht. Die Schwärze der Farbe strahlt hier eine Glut aus, eine unbeschreibliche Wärme. Und je länger ich diesen Stein ansah, desto deutlicher wurde mir: hier wird etwas Großes geboren. Und so denke ich heute, daß hier neben uns ein wirklicher Künstler sitzt, jemand, dessen Leben länger andauern wird als das Dasein eines Menschen.”
Das Buch zeigt den Grafiker Kaplan: ein Lebenswerk in seiner Entstehung, in seinen künstlerischen und handwerklichen Eigenschaften und in den einzelnen Teilen. Es beschreibt dieses umfangreiche und vielseitige (Euvre an Lithografien und Radierungen und behandelt das Verhältnis des Künstlers zu seinen Stoffen. Der Verfasser konzipierte es Ende der siebziger Jahre, noch mit Anatoli Kaplan; nach dem Tode des Künstlers entstand das Manuskript in der Beschäftigung mit dem Nachlaß. Die einzelnen Daten beziehen sich auf das gleichzeitig erarbeitete Werkverzeichnis der Druckgrafik. Wenn nun der einstige gemeinsame Plan einer Monografie über den zentralen Teil des Schaffens Anatoli Kaplans verwirklicht werden konnte, so war dies nur möglich durch großzügige Unterstützung von seiten Ewgenija Kaplans; zu danken ist dabei nicht weniger Lia Strodt, deren unermüdliche Recherchen viele bisher nicht berücksichtigte Details hinzufügten.”
€11.95
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